500 Jahre Reformation
Warum feiern wir das Reformationsjubiläum?
Die Reformation war in erster Linie religiös motiviert. Dennoch war sie von Anfang an auch ein Ereignis mit weitreichenden Auswirkungen auf Politik, Kultur und Gesellschaft. Zusammen mit den Ländern und Kommunen sowie der Evangelischen Kirche lädt der Bund dazu ein, sich mit der Reformation und ihren Folgen für unser Land, Europa und die Welt auseinanderzusetzen.
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Das Vermächtnis Martin Luthers reicht weit über kirchliche Veränderungen hinaus. Durch seine Übersetzung der Bibel in eine allgemein verständliche und volksnahe Fassung bereitete Luther zum Beispiel den Boden für eine einheitliche deutsche Schriftsprache. Sie ist Kern unserer Identität und bis heute gemeinschaftsstiftend, gerade in unserer pluralistischen Gesellschaft. Luther forderte, dass jeder Zugang zu Gottes Wort haben müsse. Das bedeutete, der Zugang zu - zunächst biblischen - Informationen war nicht mehr von Vermittlern abhängig.
Das damit verbundene Gebot der Überprüfbarkeit von Aussagen begünstigte eine neue Dialog- und Wissenskultur. Die Bildung breiter Schichten bekam infolge der Reformation einen höheren Stellenwert - wichtige Voraussetzung für den mündigen Bürger unserer Tage und ein enormer Schub für die Entwicklung von Wissenschaft und Kunst. Diese Entwicklungen stärkten das bürgerliche Selbstbewusstsein. Darüber hinaus wies Martin Luther den Weg zum Menschenbild der Frühmoderne.
Aufbruch zur Moderne
Als Luther sich auf dem Wormser Reichstag 1521 dem Diktat von Kaiser und Papst widersetzte, berief er sich auf die Heilige Schrift und sein Gewissen. Damit setzte er der weltlichen und geistlichen Macht Grenzen. Vor allem aber betonte er die Gewissensfreiheit, die Urteilskraft sowie die Eigenverantwortung des Einzelnen. Diese Beispiele belegen die enorme geistige und politische Prägekraft der Reformation.
Die sozialen, kulturellen und politischen Langzeitwirkungen der 95 Thesen können Luther damals nicht bewusst gewesen sein. Der Historiker Heinz Schilling bringt es auf den Punkt: "Luther wurde wider Willen zum Geburtshelfer der pluralistischen und liberalen Moderne, nur indirekt und gegen seine Intention trug er zum Aufstieg von Toleranz, Pluralismus, Liberalismus und Wirtschaftsgesellschaft der Moderne bei." Man tut also gut daran, ihn als Person nicht zu überhöhen. Insbesondere sein abstoßender Antijudaismus sollte nicht in Vergessenheit geraten.
Die Errungenschaften in Folge der Reformation sind jedoch ohne Zweifel - vielfach in säkularisierter Form - zu bürgerlichen Idealen und demokratischen Werten geworden. Angesichts dieser gesamtstaatlichen Bedeutung der Reformation hat sich die Bundesregierung gemeinsam mit Ländern, Gemeinden und in Verbindung mit der Evangelischen Kirche auch an der Vorbereitung des 500. Reformationsjubiläums beteiligt.
Gemeinsam feiern
Im Gegensatz zu den Reformationsjubiläen vergangener Jahrhunderte steht 2017 das Gemeinsame, nicht das Trennende im Vordergrund: Das Programm, das Bund, Länder, Kommunen, Evangelische Kirche Deutschland, Landeskirchen und Zivilgesellschaft für das Reformationsjahr auf die Beine gestellt haben, richtet sich an alle Interessierten - ungeachtet ihrer weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen. Ob Ausstellungen, Tagungen, Konzerte: Hier ist für jeden Geschmack, Kenntnisstand und Interessensschwerpunkt etwas dabei, jede und jeder ist willkommen.
Schließlich sind auch Staaten wie Großbritannien, die Niederlande, die Schweiz, Skandinavien, Ungarn, die USA, Litauen, Lettland, Estland, Ruanda, Namibia sowie Südkorea, Brasilien, Chile und Argentinien durch die Reformation und den Protestantismus geprägt.
Versöhnung und Dialog im Mittelpunkt
Bemerkenswert ist auch, dass die evangelische und die katholische Kirche zum 500. Reformationsjubiläum die Versöhnung und den Dialog in den Mittelpunkt stellen und sich damit so weit annähern wie in Jahrhunderten zuvor nicht.
Das Reformationsjubiläum wird viele Anknüpfungspunkte bieten, den geistigen Wurzeln unserer Kultur nachzuspüren. Es wird auch Anlass sein, den Zustand unserer Gesellschaft und die Rolle von Kultur und Kirche als gesellschaftliche Kräfte öffentlich zu reflektieren. Eine Gesellschaft, die sich ihrer kulturellen Prägungen bewusst ist, kann auch dem Anderen, dem Fremden Raum geben, ohne sich dadurch bedroht zu fühlen. Nicht nur in diesem Sinne erwarten Sie bereichernde Begegnungen mit dem Erbe der Reformation.